14.11.2022
Sozialpolitische Kerndaten - September 2022
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Vorbemerkung:
Aufgrund von Schwerpunktverlagerungen wurden ab Januar 2022 erneut Betriebe innerhalb der Wirtschaftszweige (Abteilung, Gruppe, Klasse der WZ 2008) neu zugeordnet. Nennenswerte Abweichungen von mehr als 2 Prozent bei den Beschäftigten (minus 3,3 Prozent) oder beim Umsatz (minus 2,6 Prozent) gab es allein in der WZ-Gruppe 17.22 (Herstellung von Haushalts-, Hygiene- und Toilettenartikeln aus Zellstoff, Papier und Pappe). Insgesamt bleiben die Auswirkungen der neuen Zuordnung überschaubar. Dennoch ergeben sich bei den Daten für Betriebe in den Wirtschaftszweigen gewisse Veränderungen, die bei einem durchgehenden Zeitvergleich zu berücksichtigen sind. Dies gilt vor allem für den intertemporalen Vergleich der Beschäftigung und des Umsatzes.
1. Anzahl der Betriebe

- Durch den Ukraine-Krieg und die damit einhergehende Energiepreiskrise hat sich das Wachstum der deutschen Volkswirtschaft deutlich abgeschwächt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) wuchs die deutsche Volkswirtschaft im zweiten Quartal 2022 (preis- und kalenderbereinigt) gegenüber dem Vorquartal nur noch um 0,1 Prozent. Im ersten Quartal 2022 war das reale Bruttoinlandsprodukt noch um 0,8 Prozent gestiegen.
- Die weitere Konjunkturentwicklung wird skeptisch beurteilt. Die hohen Energiepreise belasten Unternehmer und Verbraucher gleichermaßen. Dadurch kommt es zu Produktionseinschränkungen. Gleichzeitig sinken die Exporterwartungen der Unternehmen. Die Wachstumsprognosen gehen davon aus, dass die Wirtschaftsleistung im dritten und vierten Quartal sinken wird. Die Berenberg Bank erwartet ebenso wie das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle für dieses Jahr daher nur noch ein Wachstum von 1,1 Prozent, gefolgt von einem Minus von 1,8 Prozent (Berenberg Bank) und 1,4 Prozent (Halle) im nächsten Jahr. Das Institut für Weltwirtschaft Kiel erwartet 1,4 Prozent für 2022 und ein Minus von 0,7 Prozent für 2023, das ifo Institut München geht von 1,6 Prozent im laufenden und einem Minus von 0,3 Prozent im nächsten Jahr aus.
- In der Papierverarbeitenden Industrie gab es im ersten Quartal 2022 insgesamt 466 Betriebe mit mindestens 50 Beschäftigten. Das sind zwei weniger als im Jahresdurchschnitt 2021.
2. Entwicklung der Anzahl der Beschäftigten

- Die Anzahl der Beschäftigten in der Papierverarbeitenden Industrie ist seit dem Höchststand von 2018 weiterhin rückläufig. Im Durchschnitt des Jahres 2021 zählte die Papierverarbeitende Industrie 82.498 Beschäftigte. Im ersten Halbjahr 2022 lag die Zahl der Arbeitnehmer bei 82.063. Gegenüber dem Jahr 2018 bedeutet das einen Rückgang um 5,3 Prozent.
- Dabei zeigt ein Blick auf die Beschäftigungsentwicklung nach Quartalen eine schwankende Entwicklung. Im Zuge der konjunkturellen Erholung stieg die Beschäftigung im zweiten und dritten Quartal 2021 zunächst wieder an. Seit dem vierten Quartal 2021 ist die Beschäftigung aber anhaltend rückläufig.
- Inzwischen liegt das Beschäftigungsniveau auch unter dem Niveau des Jahres 2010, dem ersten Aufschwungsjahr nach der Wirtschafts- und Finanzkrise. Damals waren im Jahresdurchschnitt noch 83.659 Arbeitnehmer beschäftigt. In den Jahren des Aufschwungs nach der Krise entwickelte sich die Anzahl der Beschäftigten relativ konstant, bevor es 2017 und 2018 zu einem dynamischen Aufschwung kam. Dieser war aber nur vorübergehend. Ihm folgte eine Phase des Beschäftigungsabbaus, die derzeit anhält.
3. Bruttoentgelte je Arbeitnehmer

- Der monatliche Bruttolohn beziehungsweise das monatliche Bruttogehalt je Mitarbeiter belief sich in der Papierverarbeitenden Industrie im ersten Halbjahr 2022 auf 3.683 Euro. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2021 bedeutet dies einen Anstieg von 88 Euro oder um 2,4 %.
- Auch im langfristigen Vergleich fällt die Bruttolohnerhöhung der Papierverarbeitenden Industrie überdurchschnittlich aus. Während die Bruttolöhne zwischen 2010 und 2021 im Durchschnitt um 1,8 Prozent pro Jahr stiegen, nahmen sie 2021 um 2,8 und im ersten Halbjahr 2022 (im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021) um 2,4 Prozent zu. Im Durchschnitt des Zeitraums Januar 2019 bis Juni 2022 lag der Anstieg ebenfalls bei 2,4 Prozent.
- Der Anstieg der Verbraucherpreise hat sich seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine beschleunigt. Im August lag die Teuerung bei 7,9 Prozent. Haupttreiber sind nach wie vor die Energiepreise, die Einkommen und Wohlstand von Deutschland auf die Energieförderländer umverteilen. Der damit verbundene Kaufkraftverlust wird durch die Lohndynamik nur teilweise ausgeglichen. Er kann auch nicht vollständig ausgeglichen werden, weil dies in eine Lohn-Preis-Spirale münden würde, die unweigerlich eine Stabilisierungsrezession nach sich ziehen würde. Die Bundesregierung federt die Folgen der Inflation durch Entlastungspakete mit einem Gesamtvolumen von rund 95 Mrd. EUR ab, z.B. einem Energiebonus von 300 EUR je Arbeitnehmer im September 2022.
4. Tariflohnentwicklung

- Seit April 2021 gilt in der Papierverarbeitenden Industrie ein neuer Entgelttarifvertrag. Er hat eine Laufzeit von zwei Jahren bis zum 31. Januar 2023. Der Entgelttarifvertrag sieht eine zweistufige Erhöhung der Entgelte vor. Im Mai 2021 stiegen die Entgelte bereits in einer ersten Stufe um 1,5 Prozent, im Mai 2022 folgte eine weitere Anhebung um 2,4 Prozent.
- Nach Berechnungen der Deutschen Bundesbank ergab sich im Jahr 2020 – je Stunde gerechnet – eine Kostenbelastung von 2,8 Prozent und 2021 eine von 1,5 Prozent. Im Jahr 2022 wird die kalenderjährliche Belastung mit 2,0 Prozent unter dem prozentualen Abschluss von 2,4 Prozent liegen. Das liegt daran, dass die vorgesehene Erhöhung nicht schon zum Jahresbeginn 2022, sondern erst zum Mai 2022 fällig geworden ist.
- Durch den Krieg in der Ukraine hat sich der Preisauftrieb auch von der Tariflohndynamik entkoppelt. Die Inflation trifft die Unternehmen und ihre Mitarbeiter allerdings gleichermaßen. Versuche der Gewerkschaften, den Kaufkraftverlust auszugleichen und die Kosten auf die Unternehmen abzuwälzen, würden die Inflation noch weiter anheizen. Die Folge wäre eine Verschärfung des geldpolitischen Restriktionskurses der Europäischen Zentralbank, an deren Ende eine Rezession steht.
5. Exportquote
- Im Durchschnitt lag der Auslandsumsatz im ersten Halbjahr des Jahres 2022 bei 602 Millionen Euro je Monat. Damit wurde der Jahresdurchschnitt 2021, der bei 539 Millionen Euro lag, deutlich übertroffen. Das entspricht einer Steigerungsrate von fast 12 Prozent. Der Auslandsumsatz der Papierverarbeitenden Industrie war bereits im ersten Quartal des Jahres 2022 deutlich auf 591 Millionen Euro gestiegen. Für das zweite Quartal 2022 ergab sich ein Durchschnittswert von 613 Millionen Euro. Damit hält die positive Entwicklung bei den nominalen Auslandsumsätzen an.
- Auch in relativer Betrachtung haben die Auslandsmärkte für die deutsche Papierverarbeitende Industrie zwischen 2019 und 2021 wieder an Bedeutung gewonnen. Die Exportquote, also der Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz, stieg an. Im ersten Halbjahr 2022 hat sich diese Entwicklung aber nicht fortgesetzt. Die Exportquote ging in diesem Zeitraum auf 28,8 Prozent zurück. Im Jahresdurchschnitt des Jahres 2021 waren es noch 29,6 Prozent.
- Ein Blick auf die langfristige Entwicklung der Exportquote zeigt, dass der Anteil der Auslandsgeschäfte im Durchschnitt der Branche zwischen 2005 und 2007 von 26,8 auf 29,9 Prozent zunahm. Danach blieb dieser Anteil lange Zeit stabil und kletterte dann bis 2013 auf den Höchstwert von 30,6 Prozent, bevor ab 2014 ein Rückgang des Auslandsgeschäftsanteils einsetzte, der bis 2018 dauerte (Exportquote 26,9 Prozent). Der Wert des ersten Halbjahres 2022 liegt fast genau in der Mitte dieser Extremwerte.
6. Umsatz

- Im ersten Halbjahr 2022 lag der Gesamtumsatz in der Papierverarbeitenden Industrie bei 12,52 Milliarden Euro. Gegenüber dem Umsatz des gleichen Vorjahreszeitraums ergab sich ein Plus von 2,2 Milliarden Euro. Dabei belief sich der Inlandsumsatz im ersten Halbjahr 2022 auf 8,91 Milliarden Euro und der Auslandsumsatz auf 3,61 Milliarden Euro. Damit hat der Inlandsumsatz (+23,1 %) stärker als der Auslandsumsatz (+17,2 Prozent) zugelegt. Dementsprechend lag der Anteil der Inlandsumsätze am Gesamtumsatz im ersten Halbjahr 2022 etwas höher als im ersten Quartal des Vorjahres (71,2 gegenüber 70,1 Prozent).
- Im langfristigen Vergleich stagnierte die Umsatzentwicklung in der Papierverarbeitenden Industrie lange Zeit. Nach einem kräftigen Plus übertraf der Umsatz im Jahr 2021 die bisherigen Höchststände der Jahre 2011 und 2018. Dies setzt sich 2022 fort. Haupttreiber dieser Entwicklung sind aber vor allem Preiseffekte, die eine Folge der enormen Verteuerung bei den Energiepreisen sind.
- Nach der Nachfrageschwäche aus dem In- und Ausland während des ersten Pandemiejahres 2020, bei der die Umsätze vor allem im Handel mit Ländern außerhalb der Eurozone zurückgingen, zog 2021 vor allem das Auslandsgeschäft wieder an. Das Geschäft mit dem Ausland (außerhalb der Eurozone) wuchs gegenüber 2020 um 23,6 Prozent, das Auslandsgeschäft (innerhalb der Eurozone) dagegen um 3,9 und das Inlandsgeschäft um 7,9 Prozent. Diese Entwicklung hat sich im ersten Halbjahr 2022 nicht fortgesetzt. Die Inlandsumsätze stiegen stärker als die Auslandsumsätze.
7. Monatlicher Umsatz je Beschäftigten

- In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres lag der Umsatz je Mitarbeiter in der deutschen Papierverarbeitenden Industrie bei durchschnittlich 25.439 Euro. Das Niveau lag damit um 21,7 Prozent über dem Niveau des entsprechenden Vorjahreszeitraums. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Preisauftrieb im ersten Halbjahr 2021 noch gering war. Trotzdem liegt der Wert dieses Halbjahres auch deutlich über dem Jahresdurchschnitt 2021, der bei 22.065 Euro lag.
- In der positiven Pro-Kopf-Umsatzentwicklung spiegeln sich neben der sinkenden Beschäftigung vor allem die steigenden Erzeugerpreise wider.
- Im langfristigen Vergleich ab 2011 blieb der Pro-Kopf-Umsatz lange Zeit recht stabil. Zunächst setzte nach 2011 für einige Jahre eine leichte Abwärtstendenz ein, die erst durch den kräftigen Branchenaufschwung der Jahre 2017 und 2018 beendet wurde. Nach einem neuerlichen Rückgang in den Jahren 2019 und 2020 kam es 2021 zu einem kräftigen Anstieg. Diese positive Trendwende beruhte aber auch auf einem starken Anstieg der Erzeugerpreise – eine Entwicklung, die sich 2022 deutlich verstärkt.
8. Entwicklung der Produktion

- Obwohl in den ersten vier Monaten des Jahres 2021 für die Bevölkerung ein strenger Lockdown herrschte, nahm die Produktion in der Papierverarbeitenden Industrie im Jahr 2021 (kalender- und saisonunbereinigt) um 3,1 Prozent zu (Grafik). Dadurch wurden die Rückgänge im Jahr 2019 (-0,7 Prozent) und im ersten Pandemiejahr 2020 (-2,2 Prozent) kompensiert. Im ersten Halbjahr 2022 ging der Produktionsindex allerdings zurück (-1,0 Prozent).
- Schaut man auf die kalender- und saisonbereinigten Werte (in der Grafik nicht dargestellt), zeigt sich, dass der Produktionsanstieg nach dem Tiefpunkt im zweiten Quartal 2020 bis zum dritten Quartal 2021 anhielt. Damals kletterte der Index bis auf einem Wert von 101,7. Seitdem geht es aber wieder bergab. Im ersten Quartal 2022 lag der Produktionsindex kalender- und saisonbereinigt bei lediglich 100,4 und im zweiten Quartal 2022 bei 98,8. Fasst man beide Quartale zusammen, ergibt sich ein kalender- und saisonbereinigter Wert von 99,6.
- Im langfristigen Vergleich lag die Produktion im ersten Halbjahr 2022 unbereinigt um mehr als 6 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2011. Damals erreichte der Produktionsindex im Jahresdurchschnitt den Wert von 107,0 und markierte damit den Rekordwert seit der Jahrhundertwende. Das gilt auch für die kalender- und saisonbereinigten Werte.
9. Preisentwicklung

- Seit dem zweiten Halbjahr 2021 steigen die Preise in der Papierverarbeitenden Industrie stark an. Diese Entwicklung setzte sich im Jahr 2022 beschleunigt fort. Im ersten Halbjahr 2022 lag der Index der Erzeugerpreise bei durchschnittlich 127,1, während er im Jahr 2021 noch bei durchschnittlich 108,8 und 2020 bei 103,7 lag.
- Bei längerfristiger Betrachtung verlaufen die Preise für den Gesamtindex der gewerblichen Produkte ohne Energie und den Erzeugnissen der Papierverarbeitung annähernd parallel. Im Durchschnitt des ersten Halbjahres 2022 lag der Gesamtindex der gewerblichen Produkte ohne Energie bei 124,4, nach 111,5 im Jahr 2021 und 105,1 im Jahr 2020.
- In der Papiererzeugenden Industrie war die Preisdynamik zuletzt deutlich größer. Auch hier setzte der starke Preisauftrieb im zweiten Halbjahr 2021 ein. Bereits von Juni bis Dezember 2021 stiegen die Preise in der energieintensiven Papiererzeugung um über 19 Prozent. Im ersten Halbjahr 2022 stieg der Preisindex auf durchschnittlich 153,3. Damit lagen die Erzeugerpreise der Papiererzeugenden Industrie um 37 Prozent über dem Jahresdurchschnitt 2021. Neben den stark steigenden Energiepreisen wurden die Preise durch eine Preisexplosion bei den Rohstoffen in die Höhe getrieben. So haben sich die Großhandelspreise für gemischtes Altpapier im ersten Quartal 2022 gegenüber dem Vorjahresquartal um gut 53 Prozent verteuert. Im zweiten Quartal 2022 lag der Preisanstieg immer noch bei gut 19 Prozent.
10. Entwicklung von Produktivität und Lohnstückkosten

- Im ersten Halbjahr 2022 sind die Lohnstückkosten gegenüber dem Vorjahresquartal um 1,1 Prozent gestiegen. Damit ergab sich nach dem Rückgang im Jahr 2021, der sich hauptsächlich als Reaktion auf die im zweiten Quartal 2020 aufgrund des Lockdowns eingebrochene Produktion und die darauffolgende Erholung ergab, wieder ein Anstieg. Die Anstiegsdynamik ist gleichwohl schwächer als im Zeitraum von 2012 bis 2020, als die Lohnstückkosten jährlich zumeist um rund 2,5 bis 3,5 Prozent anstiegen.
- Die Produktivität je Beschäftigten nahm im ersten Halbjahr 2022 um 1,3 Prozent zu. Damit fiel die Anstiegsdynamik wesentlich schwächer aus als im Gesamtjahr 2021 – damals legte die Produktivität um 5 Prozent zu. Im Zeitraum 2012 bis 2020 ging die Produktivität indes neunmal in Folge zurück oder stagnierte.
- Je Stunde gerechnet stieg die Produktivität im ersten Halbjahr 2022 um 3,1 Prozent. Dieser Wert liegt nur geringfügig unter dem Zuwachs des Jahres 2021, der bei 3,3 Prozent lag. Im Jahr 2020 war die Produktivität je Stunde noch leicht rückläufig.
- Die geleistete Arbeitszeit je Mitarbeiter lag im ersten Halbjahr 2022 um 1,7 Prozent niedriger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Folglich ergibt sich je Stunde gerechnet ein stärker Produktivitätsanstieg als je Beschäftigten.